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Prolog von Lost Secret


Ihr wollt ihn?

Ihr bekommt ihn!


Prolog


"Wir finden den Schatz", brüllt Mark über den Krach der anderen Kinder hinweg und reckt siegessicher sein Kinn in die Höhe. Die Meute johlt lautstark, sodass einige Passanten, die am Zaun vorbeilaufen, ihre Köpfe drehen.

"Ich bin total gut im Verstecken. Ihr findet den nie", hält Joana entgegen und stemmt ihre kleinen Hände in die Hüften. In diesem Jahr hat sie das kurze Hölzchen gezogen und darf mit Marta, ihrer Erzieherin, den Schatz Verstecken.

"Den finden wir leicht, Mädchen können sowas nicht. Es gibt nämlich keine Räuberinnen", widerspricht Mark und lächelt der Gruppe entgegen.

Joanas Mund hat sich mit jedem Wort ein bisschen weiter geöffnet. Ihre Augen sind zu Schlitzen verengt und ihre Hände zu Fäusten geballt.

"Mark Tobias Berger, du ...", beginnt sie, wird aber von Marta unterbrochen, welche die Kinder zum Mittag ruft.

Wütend dreht Joana sich auf dem Absatz um und kickt einen Ball zur Seite, der zu ihren Füßen liegt.

Aufgebraucht stakst sie auf die Schaukel zu, die nahe am Zaun steht und lässt sich in den Sitz fallen. Sie ist viel zu wütend, um jetzt etwas zu essen.

Es gibt auf jeden Fall Mädchen, die Räuber sind. Mädchen können alles sein. Das sagt Mama immer und die hat immer recht.

"Ihr geht auf Schatzsuche?", reist sie eine fremde Stimme aus ihren Gedanken und sie blickt auf. Vor ihr steht eine fremde Frau, die sie freundlich anlächelt. Sie hat sie noch nie gesehen. Ob dass eine Mama ist, die sie nicht kennt?

Stumm starrt sie die Fremde an. Sie darf nicht mit Erwachsenen reden, die sie nicht kennt. Das sagen ihre Eltern und Marta immer wieder.

"Der Junge hat übrigens Unrecht. Es gibt Mädchen, die Räuber sind. Kennst du Ronja Räubertochter?", will die Frau wissen.

"Ja", ruft Joana aus und beißt sich sofort auf die Lippen. Sie sollte doch nichts sagen. Das Lächeln der Frau wird eine Spur breiter und sie sieht wirklich nett aus.

"Hast du schon mal einen Schatz versteckt?"

Um nicht wieder zusprechen, schüttelt Jo den Kopf. Das ist das erste Mal, sonst war sie immer eine von den Suchern.

"Dann musst du dir ein gutes Versteck überlegen", meint die Fremde und Joana nickt langsam.

"Wo könnte so ein Versteck sein, was meinst du?", will sie wissen und Joana legt angestrengt ihre Stirn in Falten.

"Joana?", dringt die Stimme ihres Vaters an ihre Ohren und sie reckt ihren Kopf in die Richtung, aus der sie kam.

Ihr Papa ist mehrere hundert Meter entfernt und rennt auf sie zu. Joana hebt die rechte Hand zum Winken.

"Viel Spaß bei deiner Schatzsuche, kleine Joana", verabschiedet sich die Frau. Das Mädchen schaut zu ihr, doch sie hat sich bereits abgewandt und verschwindet mit großen Schritten.

Ein paar Sekunden später erreicht ihr Vater den Zaun und springt mit einem Hechtsprung darüber.

"Wer war das?",will er wissen und geht auf sie zu.

Sie weiß, dass sie sofort zu Marta hätte gehen sollen und bekommt bestimmt Ärger. Schuldbewusst zieht sie ihre Unterlippe zwischen die Zähne und sieht ihm unter ihren dichten Wimpern hervor an.

"Joana? Kennst du die Frau?", wiederholt er seine Frage und geht vor ihr in die Hocke. Joana schüttelt widerwillig den Kopf.

Eine Flut aus Worten, die sie nicht versteht, verlassen seinen Mund. Immer wenn er aufgebracht ist, spricht er eine Sprache, die sie nicht kennt. Meist ist es lustig ihm dabei zuzuhören, doch heute nicht. Heute ist sie der Grund dafür. Tränen füllen ihre Augen und die ersten heißen Tropfen rollen ihre Wangen hinab.

Sobald ihr Vater das sieht, verstummt er und zieht das Mädchen in seine Arme.

„Entschuldigung Querido", schnieft sie in seine Jacke und er wischt ihre Wange trocken.

"Meu querido, was wollte die Frau von dir?"

Ernst sieht er ihr in die Augen und sie wischt mit ihrem Ärmel über die Nase.

"Wir haben über die Schatzsuche gesprochen", antwortete sie ehrlich und der Blick ihres Vaters wirkt auf einmal alarmiert.


....


„Was? Nein! Nein, das kannst du nicht machen“, stößt Elisa schockiert aus und sieht ihrem Mann fest in die Augen.

„Du wusstest, dass das geschehen kann“, flüstert er zurück, ohne ihrem Blick auszuweichen.

„Aber das kannst du uns nicht antun. Das kannst du ihr nicht antun“, fleht sie und kämpft gegen die Tränen, die sich nach oben kämpfen. Ihr Blick fliegt zu dem kleinen Bett, indem ihre Tochter zufrieden schläft und nichts von dem Unglück ahnt, welches sich gerade vor ihr abspielt.

„Ich muss es tun, es geht nicht anders.“

„Aber ich brauche dich. Joana braucht dich, du kannst uns jetzt nicht verlassen“, wispert sie in der Hoffnung, ihn umzustimmen.

„Wir machen es genauso wie besprochen. Wir haben keine andere Wahl. Sorge dafür, dass George niemals die Gelegenheit dazu bekommt, mit Joana Kontakt aufzunehmen. Er würde nur versuchen, sie in seine Machenschaften hineinzuziehen“, ermahnt Alvaro seine Frau.

„Du glaubst doch nicht, dass er seine einzige Enkeltochter in Gefahr bringen würde?“

„Doch genau das befürchte ich. Er hat noch nie vor etwas zurückgeschreckt. Weder bei mir noch würde er es bei jemand anderem tun. Wir müssen dafür sorgen, dass sie nie etwas von ihm erfährt. Am besten, du verbannst mich aus ihrem Leben.“

Ein letztes Mal streicht Alvaro seiner Tochter über den Kopf und drückt ihr einen sanften Kuss auf den Scheitel.

Das ist sein Abschied. Nie wieder wird er seine Tochter sehen.

Mit einem letzten Blick auf das Kind zieht er seine Frau, die den Kampf gegen die Tränen verloren hat, aus dem Zimmer und schließt die Tür hinter sich.

Leidenschaftlich zieht er sie in seine Arme und versenkt seine Lippen auf ihren. Alles, was er an Liebe zu geben hat, steckt er in diesen Kuss.

Anschließend verschwindet er aus dem Haus mit dem Wissen, dass er nie wieder hierher zurückkehren wird.


Joana Santos – die Protagonistin in Lost Secret

Elisa Santos – Joanas Mutter

Alvaro Santos – Jonans Vater

George Santos – Joanas Großvater

Mark - Freund von Jo


Übersetzung:

Querido – Schatz

Meu Querido – Mein Schatz


1. Edition, März 2023

© Melanie Baumann All rights reserved.

Sonnenhang 11c, 36251 Bad Hersfeld

























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